Der Lohrrain – Erdgeschichte und Zeitgeschichte

Der Hang des Lohrrain fällt steil zur Aue des Flüsschens Nidder ab. Wer sich den Hang genauer ansieht, entdeckt ein rötliches Gestein – was besonders an einer Stelle auffällt, wo der Boden offenbar aufgegraben wurde.

Hier ist der Hang des Lohrrain und loses Gestein bei der frischen Aufgrabung 2019.

Infotafel am Lohrrain

Eine kleine Infotafel erläutert zwei Themen:

  • Die Aufgrabung: Was hat es mit der Grabung am Lohrrain auf sich?
  • Gesteinsart: Welche Art von Gestein ist hier zu finden?

Ein QR-Code auf der Tafel verweist auf diese Webseite für detaillierte Informationen.

 

Die „Bunkerlöcher“ am Lohrrain (und die Aufgrabung)

Ende 1944 / Anfang 1945 starteten drei Glauberger Bürger am Steilhang des Lohrrains den Versuch drei Bunker als Schutz vor Luftangriffen zu bauen. Gegen Ende des zweiten Weltkriegs war zum Beispiel der 12 km entfernte Militärflugplatz Harb Ziel von Bombardements. Wegen des hohen Grundwasserstands nahe der Nidder, waren die Keller ihrer Häuser in der „Ecke“ nicht sehr tief uns als Schutzräume ungeeignet. Am Fuß des langgezogenen Steilhanges des Lohrrain wurden deshalb in wenigen Metern Abstand drei Löcher gegraben. Sie sind auch auf einem historischen Luftbild zu erkennen. Den möglichen Weg von den Häusern zu den Bunkerlöchern zeigt unten die topographische Karte der damaligen Zeit.

Die Initiatoren der Bunker waren:

  •  Heinrich Appel (1897 – 1985), 
    Beningsgasse 15, von Beruf Treppenbauer,
  •  Heinrich Erk I. (1911 - 1996), 
    Beningsgasse 17, genannt „d‘ Weißbenner“ 
  •  Wilhelm Treut (1900 - 1970),
    Wallgasse 8, Techniker, ungeliebter Spitzname: „d´ Schetzebutz“ 

Letzterer hatte Gleise und Loren einer Feldbahn organisiert, mit der der Aushub abtransportiert und verteilt werden konnte.

Das standfeste, plattig geschichtete weiche Gestein ließ sich mit Pickel, Hammer, Meißel und Schaufel herausarbeiten. Die in den Hang getriebenen Röhren waren unterschiedlich weit eingetieft. Das heute sichtbare verschüttete mittlere „Bunkerloch“ wurde von Heinrich Appel, einem Weltkriegsveteran, bearbeitet. Es sei nach Aussagen von Zeitzeugen 5 – 6 m tief in den Berg gegangen und dann rechtwinklig 2 – 3 m abgebogen. Zum Splitterschutz haben man Aushub vor dem Eingang aufgeschüttet. Die Anlage ist allerdings wohl niemals in einem benutzbaren Zustand gewesen. Über abstützende Einbauten aus Holz ist nichts bekannt. Die links und rechts davon liegenden Röhren von Treut und Erk waren zudem wesentlich kürzer.

Bunkerloch

Vom Schulwald zum Bunker


Spätestens Ende März 1945 (Einmarsch der US-Army in Glauberg am 29.03.1945) wurden die Arbeiten eingestellt, die unfertigen Anlagen verfielen, wurden später als Mülldeponien genutzt. 

In den Jahren 1958/1959 haben die oberen Klassen der Volksschule Glauberg mit ihrem Lehrer Alfred Komp junge Fichtenpflanzen an den steilen Hang gesetzt. Hier sollte ein Schulwald (Weihnachtsbäume) heranwachsen, um den Schul-Etat der Gemeinde Glauberg zu entlasten. Viele damals beteiligte Schüler erinnern sich noch lebhaft daran, wie ihr Lehrer am Hang ausrutschte und – zu ihrer Freude - wie eine Schildkröte auf dem Rücken den Hang hinunter rutschte.

Nachdem der Schulstandort Glauberg 1974 geschlossen wurde und die Schulhoheit auf den Kreis überging, geriet der Fichtenbestand in „Vergessenheit“. Ein Brand und Windwürfe schädigten den Bestand, Teile wurden gerodet und schließlich überzog  eine dichte Brombeerhecke den ehemaligen Trockenrasen-Standort. Sehr zu Wohlgefallen einer stattlichen Wildschwein-Rotte. Versuche, wieder den ursprünglichen Trockenrasen herzustellen, scheiterten. 

Ab 2020 suchten Mitglieder des Heimat- und Geschichtsvereins Glauburg nach den Bunkerresten. Werner Erk und Helfer fanden schließlich drei Mulden am unteren Hang.
Auf Vermittlung des umsichtigen Leiters des Glauburger Gemeindebauhofes, Dieter Kraft, konnte mit einem Bagger des Feldwege-Verbandes der Bereich des mittleren „Bunkerloches“ freigelegt werden. In mühsamer Handarbeit wurde die eingestürzte ehemalige Erdhöhle auf ca. 2 m von Müllablagerungen der 1940er und 1950er Jahre befreit.

Der Glauberger Hartmut Winter konnte sich noch erinnern in den 1940er Jahren beim Spielen im mittleren Bunkerloch ein altes Fahrrad liegen gesehen zu haben. Tatsächlich fanden sich verrostete Teile davon bei der Freilegung 2021. Ebenso Farbeimer, Batterien, Tontöpfe sowie zugeschnittene Glasabfälle, Scharniere und Eisenbänder einer Glauberger Schreinerei.

Funde aus dem mittleren „Bunkerloch“

Ein besonderes Gestein am Lohrrain

Das rötliche Gestein, das am Lohrrain zu finden ist, erscheint bei näherer Betrachtung sehr feinkörnig, teilweise sandig. Rötliches und sandiges Gestein kennen viele Menschen, die sich für Geologie oder historische Bauwerke interessieren. Aber ist das hier das gleiche, was sonst oft zu sehen ist?

Bekannt ist in der Region und in vielen Teilen Mitteleuropas ein rötlicher Sandstein aus der Zeit des Buntsandstein vor etwa 250 Millionen Jahren. Dieser Sandstein wurde häufig verbaut und prägt zum Beispiel die Altstadt von Büdingen. Auch die bekannte Statue des „Keltenfürsten“ besteht daraus. Bei Büdingen und Bleichenbach zeigen ehemalige Steinbrüche noch heute, dass dieses Gestein kompakte Partien besitzt, die sich gut als Baustein eignen.


Aber das Gestein am Lohrrain ist ein anderes. Es ist bröckeliger und lässt sich nicht als Baustein verwenden. Es stammt auch nicht aus der Buntsandstein-Zeit!

In der Zeit des Rotliegend entstanden aus den ersten Landwirbeltieren, den Amphibien, frühe Reptilien. Das war ein wichtiger Schritt, denn diese legten ihre Eier nicht mehr ins Wasser, sondern sie legten Eier mit Schale an Land und waren dadurch nicht mehr auf Wasserstellen zur Entwicklung des Nachwuchses angewiesen. Die Amphibien und Reptilien der Rotliegend-Zeit werden als „Saurier“ bezeichnet (das sind allerdings noch keine Dinosaurier). Viele Spuren solcher Saurier wurden in Form von Fährten an verschiedenen Orten gefunden. Einer davon ist das „Bettenburger Loch“ bei Oberdorfelden, nur 25 km entfernt. Hier wurde früher Gestein abgebaut, das bei der Produktion von Ziegeln eingesetzt wurde. Die Funde von Fährten ergeben sich bei einem solche Abbau eher nebenbei, weil größere Mengen Gestein aufgebrochen werden, die sich gut durchsuchen lassen. Da im Umfeld des Glaubergs kein nennenswerter Abbau von Gestein des Rotliegend stattfand, wurden hier bisher auch keine Spuren gefunden. Aber es gibt keinen Grund anzunehmen, dass in der Zeit des Rotliegend nicht auch hier Saurier herumgelaufen sind. 

Zwischen der Zeit des Rotliegend und des Buntsandsteins gab es ein großes Massenaussterben, bei dem ein großer Teil der existierenden Arten ausstarb. Wahrscheinlich wurde es von intensivem Vulkanismus und der daraus folgenden Klimaveränderung ausgelöst. Erst danach entwickelten sich im Erdmittelalter verschiedene Gruppen von Dinosauriern und auch Säugetiere.

Das Bild der Erde war damals anders. Schon vor der Zeit des Rotliegend hatten sich die Kontinente zu dem Superkontinent Pangäa vereinigt. Dabei hatte sich ein großes Gebirge gebildet, dessen Basis wir heute zum Beispiel noch im Taunus und im Hunsrück finden. Dieses Gebirge wurde abgetragen und der Abtragungsschutt bildete neue Gesteine in Becken, die zwischen den Höhen lagen. Dies geschah seit dem Karbon, dem Steinkohle-Zeitalter, und im anschließenden Perm (Rotliegend und Zechstein). Am Rand der Becken, nah an den Gebirgen, entstanden Gesteine aus sehr grobem Material, vor allem aus Geröll und Schutt. Zu den Zentren hin sammelten sich Sand, Schluff und Ton, die bei Starkregen von Flüssen dorthin transportiert wurden. Die verschiedenen Abschnitte des Rotliegend umfassen dabei teilweise mehrere hundert Meter an Ablagerungen.

Gesteine des Rotliegend sind heute nur in bestimmten Regionen Mitteleuropas an der Erdoberfläche zu finden. Sie sind eigentlich relativ selten. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe. Einerseits wurde Material nur in den Becken zwischen den Gebirgszügen abgelagert – die früheren Höhen waren Abtragungsgebiet, also Liefergebiet des Materials. Diese relativ alten Gesteine wurden in vielen Regionen später überdeckt. Bundsandstein, Muschelkalk, Jura oder Tertiär sind Beispiele für Zeitalter, deren Ablagerungsgesteine großflächiger zu finden sind. Auch der Basalt des Vogelsbergs liegt teilweise auf dem Rotliegend. So ist das sogar auf dem Glauberg, wo das Plateau aus Basalt besteht, der von Lavaströmen stammt, die über das Gestein des Rotliegend gelaufen sind. Damals kann hier am Lohrrain noch kein Tal gewesen sein (sonst wären die Lavaströme hier gelaufen), sondern wahrscheinlich war dort ein Tal, wo heute die Lavaströme liegen. Das Tal der Nidder hat sich später eingeschnitten und dabei auch viel Material aus der Rotliegend-Zeit abgetragen. Solche Abtragung hat an anderen Stellen dazu geführt, dass die Gesteine des Rotliegend ganz verschwunden sind, was auch ein Grund für ihre heutige Seltenheit ist.

Zu den genauen Verhältnissen am Lohrrain wurde Prof. Gotthard Kowalczyk 2020 im Rahmen einer Exkursion befragt. Ergänzende Informationen stammen aus der Stratigraphie von Deutschland Band X (siehe Literatur). Das Gestein gehört zur Düdelsheim-Formation. Das ist eine der mittleren Gesteinseinheiten des Rotliegend, während am Grund der Kieskaute (siehe unten) die Bleichenbach-Formation zu finden ist. Sie bildet den Abschluss der roten Gesteine. Die Schichten der Düdelsheim-Formation erreichen mindestens 170 m.

Solche Informationen ergaben sich durch Bohrungen, von denen im Umfeld drei durchgeführt wurden. (Die Bleichenbach-Formation erreicht 300 bis 400 m und alle Rotliegend-Einheiten zusammen über 1000 m Mächtigkeit). Das Material am Lohrrain ist Siltstein (Schluffstein) bis Sandstein. Es ist zwar auch ein wenig tonig, aber kein Tonstein. Teilweise wurde auch Kalk mit abgelagert. Weil das Gestein hier einen höheren Sandgehalt hat, ist es heller und weniger rot als andere Teile des Rotliegend, die mehr Ton enthalten (vergleiche dazu das Bild mit der Fährte). An Fossilien wurden in der Düdelsheim-Formation Pflanzenreste, Muschelkrebse und Fischreste gefunden. Das Liefergebiet des Materials ist überwiegend der Taunus, zum Teil auch der Spessart.

Die Schichten des Gesteins liegen überwiegend horizontal oder nur schwach geneigt (unter 10°, durch spätere Krustenbewegungen wurden sie teilweise leicht gekippt). Die stärkere Neigung der Schichten am Lohrrain ist auf hangabwärts gerichtete Bewegungen des Bodens zurückzuführen. Dies war während kalter Phasen der Eiszeit an allen Hängen der Fall, wenn der Boden auf dem dauerhaft gefrorenen Untergrund ins Rutschen kam („Bodenfließen“). Dazu passt auch, dass der Schutt des Rotliegend-Gesteins mit dem feinen gelblichen Gesteinsstaub vermischt ist, der während der Kaltzeiten bei Staubstürmen abgelagert wurde. Er wird Löss genannt und durch Verwitterung und Entkalkung wird er zu Lösslehm. Auf den Fotos von 2019 ist diese gelbliche Farbe der oberen Bodenschicht erkennbar.

Tipps: Die Geologie rund um den Glauberg ist sehr interessant. An der Kieskaute bei Stockheim sind am Wanderweg über dem Rotliegend noch weitere Gesteine des Perm zu sehen, die ganz anders entstanden sind. Die Freilegung der Gesteinswände nach über 50 Jahren wurde vom Heimat- und Geschichtsverein Glauburg e.V. 2014 initiiert und von Prof. Gotthard Kowalczyk mitbetreut. Auch dort steht eine ähnliche Infotafel wie am Lohrrain. Sie wurde ebenfalls von der DVG Sektion Vogelsberg finanziert. Der Heimat- und Geschichtsverein und die DVG haben 2020 mit weiteren Kooperationspartnern in Glauburg auch einen Tag des Geotops veranstaltet (siehe www.dvg-vb.de). Dabei wurde der kleine Steinbruch am Glauberg, der am Weg vom Parkplatz der Keltenwelt zum Glauberg-Plateau liegt, zum Geotop des Jahres erklärt. Dort sind blasige und teilweise rote Basalte zu sehen, die als dünnflüssige Lava mit glatten Oberflächen geflossen sind.
(Video unter: https://www.heimat-und-geschichtsverein-glauburg.de/mediathek/). 

 

Literatur mit Details zum Rotliegend:
SDGG-Schriftenreihe Heft 61 (2012) Stratigraphie von Deutschland X – Rotliegend. Teil 1: Innervariscische Becken. Deutsche Stratigraphische Kommission (Hrsg.).

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